"Ich suche nicht, ich finde." Picasso - gunnar berndts Webseite!

Gunnar Berndt
Kunst und Lyrik

"Ich suche nicht, ich finde." Picasso

Lyrik

Gott

Ich bin entstillt.

Bin in Krach versunken.

Die Außenwelt wird abgestillt,

die innere Absence gefunden.

Draußen dämmert schon der Winter

Und - so scheint es - auch in mir;

auf meiner Haut,

in der ich stecke;

und in dem Büschel Haar,

das mir das Haupt bemoost.

Und dennoch

mit meiner fiebrigen Finger Griff

umarme ich noch immer diese Welt,

die Städte, die Menschen, die Straßen;

jeden Wald, jeden Fluss und jedes Feld.

Finde hierin wahren Trost.

Ich setz‘ mich nieder auf den kalten Grund.

Schalte alles ab, was in mir stört;

nur nicht mein Staunen.

Nicht dieses Staunen

über die tiefe Bläue des Himmels

über der ewig alten Sonne Schein

über die Wahrhaftigkeit eines Kinderlachens

über der Vögel Zug nach Süden

über mich im Lauf der Dinge,

ganz ungigantisch, winzig klein;

sauge all dies ein durch meinen offenen Mund

und finde und erfinde letztlich alles wieder - unerhört.

Still.

Die Verwandlung

Ein Stück. Ein anderes Leben.

Mit sich selbst im Reinen.

Die Serviette zerknüllt,

den Teller beiseite geschoben,

den Mund gewischt und aufgestanden.

Hineingegangen in die Nacht.

Ich wollte wissen,

woher genau dieses Gefühl kam.

Da war etwas Mystisches,

etwas Unbeschreibliches an dieser Stunde

Ein schlierenverhangener kaltweißer Mond;

ein trauriges Käuzchen

und ein diffuser Schatten in meinem Rücken,

den ich nicht werfe.

Fröhlich trudelt das Ich

auf den Wogen des nächtlichen Nebels dahin,

dreht sich im Kreis

wie eine scheidende Spieluhrballerina

und schwindet in den Dunst der Straße hinein,

der alles verändert;

der Gespenster und Giganten gebiert.

Ohne Titel

Wie einsam manche Sommertage sind.

So fern schon ist das Jetzt dem Kind.

Wie verloren sich die Seele findet

im Netz der Wirklichkeit

um Kopf und auch um Kragen sich windet.

Wenn warmer Wind nicht Wärme spendet

noch der Sonne Licht die Schatten aus den Sinnen wendet.

Kein Vogelsang das Herz erreicht

und das große Ich dem stets verletzten Kind im Manne weicht.

Voll Schwermut folgt der Blick den Vögeln,

wie frei sie durch den Äther segeln,

der ewig alten Himmelsbläue.

Dort löst sich der Verstand vom Fleisch

und alle Schuld gerät zur Reue.

Wenn das Licht am klarsten scheint

und roter Mohn dem Feld entsteigt;

wenn Nebelgeister morgens gehen

und sich die Menschen heimlich küssen,

dann sehne ich ein gutes Herz und dieses infantile

nichts-vermissen-müssen,

still herbei.

Ganz herzzerrissen.

Vater

So wie ein Spross im Frühjahr

den Kampf gegen die große Mutter gewinnt

und machtvoll aus dem Boden bricht,

so brach das Leben

aus Deinem Fleisch heraus,

um zu blühen,

um zu leuchten.

Was sind wir bloß begrenzt!

So weit entfernt davon,

so allmächtig zu sein,

wie wir es gerne glauben.

Das einzig Wahrhaftige,

was wir erfahren können,

ist die Liebe;

ist dieser unerträgliche,

unerbittliche Schmerz der Liebe.

Und jetzt muss ich,

gestählt und verbrannt zu gleichen Teilen,

beschenkt mit einem Wissen,

das ich nicht begreifen kann,

weiterziehen.

Mit meinem kleinen Verstand,

meinen nichtigen Nöten;

durch diese merkwürdige Welt

der pompösen Belanglosigkeiten,

die uns allen so unfassbar wichtig erscheinen;

bis eines fernen Tages dann,

wenn die Sterne wieder günstig stehen

und sich mein Weg am Horizont verliert,

Du mich dann begleiten wirst,

mich ans unbekannte Ufer führst.